Das war ein langer, langer, harter Tag dieser 10.10.2015, den ich sicher nicht so schnell wahrscheinlich sogar nie vergessen werde. Weder das Leiden noch die unendliche Freude als ich das 2te und letzte Mal auf den Ali’i Drive eingebogen bin und die Finishline auftauchte. Aber der Reihe nach.
Nach dem Rad Checkin am Vortag gab es noch, wie gewöhnlich, ein frühes (15:00), letztes Carboloading.
Ein positive Eigenschaft des Ironman Hawaii ist der dem Jetlag geschuldete atypische Kona-Tagesrhythmus. Man ist gewohnt um 4:00 oder 4:30 aufzustehen und bereits zwischen 20:00 und 21:00 ins Bett zu gehen. Der Rhythmus ist dem Tageslicht angepasst. Das kommt einem für den Wettkampf sehr entgegen.
Bereits kurz nach 8 bin ich ins Bett und konnte – ebenfalls für mich unüblich – auch gleich einschlafen. Um 3:00 klingelte dann der Wecker und dann setzten die letzten ritualartigen Handlungen ein. Kaum waren wir um 4:00 mit dem Auto von Keauhou Richtung Pier aufgebrochen konnten wir auch schon wieder umdrehen, die Trinkflaschen standen noch im Appartment – Gott sei Dank ist Birgit das aufgefallen. Hinter dem King Kamehameha Hotel gab es dann die erste lange Schlange – Bodymarking. Für mich fühlte es sich als eine Art moderne Kriegsbemalung an 😉 Mittlerweile gibt es ein Abzieh-Tattoo, beim letzten Mal wurde ich noch mit der Startnummer bestempelt 🙂
In Hawaii ist eben manches anders, hier wird man sogar gewogen 🙂 Jeder Athlet wird aus medizinischen Gründen vor dem Wettkampf gewogen, damit ggf. eine Dehydrierung sofort diagnostiziert werden kann.
Trotz der vielen Leute hab ich nach dem Bodymarking Birgit und Christoph wieder getroffen. Beim „Befüllen“ des Rades hatte ich doppeltes Glück; zum einen waren die Besitzer der Nachbarräder noch nicht da (am Pier geht es sehr eng zu), zum anderen hat meine treue Standpumpe mit dem letzten Hub den Geist aufgegeben. Auch nach dieser letzten Vorbereitungsphase hab ich noch ein letztes Mal Birgit und Christoph getroffen, allerdings wurde es danach dann hektisch. Birgit konnte sich nicht mehr rechtzeitig zum Profistart einen Aussichtsplatz sichern.
Bei mir setzte jetzt wie gewöhnlich der Race Mode ein. The Star spangeled banner wurde gespielt und ich hatte eine Gänsehaut. Die Kanone donnerte und die Profi Männer inkl. der deutschen Favoriten um Jan Frodeno, Sebastian Kienle, Nils Frommhold, Andi Böcherer und Andi Raelert, um nur die wichtigsten zu nennen, wurden auf die Reise geschickt, von der ich nichts mitbekommen würde. Fünf Minuten später donnerte die Kanone zum 2ten Mal für die Profi Damen. Hier waren die Favoriten zwar nicht aus Deutschland aber mit Juia Gaier immerhin mindestens ein Schwergewicht im Rennen.
Danach ging es auch für mich ins Wasser. Die Nervosität war im Gegensatz zu sonstigen Rennen kaum zu spüren. Ich war eigentlich ganz entspannt und wollte diesen Tag geniessen. Ich orientierte mich soweit links aussen wie möglich. Nur kein Stress am Anfang des Rennens 🙂 Die Kanus und Surfboard Volunteers versuchten uns auf der Linie zu bzw. zusammen zu halten. Dann donnerte – endlich – auch für mich die Kanone. Nach nur wenigen Metern hatte ich schon „freies“ Wasser vor mir und hab sofort meinen Rhythmus gefunden. Ein paar kleinere Rempeleien aber nichts erwähnenswertes. Erleichterung, Euphorie setzte ein. Nach ein paar hundert Metern habe ich links von mir gesehen, dass ein Athlet mit der gleichen Geschwindigkeit – oder schneller? – unterwegs war. Spontan hab ich einen Haken geschlagen – kurzer Sprint – dann war ich an seinen Hinterbeinen. Der Typ hatte eine super Pace. Ab und zu bin ich aus dem Wasserschatten um zu checken ob ich überholen sollte, aber das Tempo war super. Mein Vordermann manövrierte mich links neben dem Pulk, ohne jeglichen Feindkontakt, bis zum Wendepunkt an den Booten, 1,9km draußen auf dem Pazifik. Mein Frontmann schien jeglichem Körperkontakt aus dem Weg gehen zu wollen und hat einen etwas zu großen Bogen um die Wendeboote geschlagen. Aber dadurch hab ich ihn nicht verloren und bin auch den Rückweg entspannt bis in die Nähe des Piers gekommen. Hier wurde es dann doch nochmal ziemlich eng und etwas ruppig und der Adrenalinspiegel stieg unnötigerweise nochmal an.
Nach 1:07 hatte ich dann endlich das Pier erreicht. Im Wechselzelt war ein Gedränge wie ich es bei einem IRONMAN noch nie erlebt habe. Ich bin zwar kein besonders guter aber auch kein wirklich schlechter Schwimmer und bei anderen Wettkämpfen liege ich nach dem Schwimmen zumindest noch so weit vorne, dass der Betrieb im Zelt überschaubar ist. Aber Hawaii ist eben die Weltmeisterschaft und so steckte ich zwar als 30er der AK aber als 663er insgesamt eben mitten im Hauptgedränge.
Auf dem Rad war dadurch ebenfalls viel Betrieb um mich herum. Zuerst gilt es eine kleine Loop (ca. 10km) in Kona zu bewältigen bevor es raus auf den berühmten Queen Ka’Ahamanu Highway nach Hawi ging. Zunächst ging es ganz gut. Ich überholte und wurde auch überholt. Es lief besser als erwartet. Die Splits alle 5km lagen immer zwischen 7:30 und 9:00 Minuten. An jeder Verpflegungsstelle habe ich, nach meinen Erfahrungen aus Frankfurt, Wasser genommen und gekühlt und getrunken. Die zwei Sommerarmlinge, die ich immer nass hielt, empfand ich sehr angenehm. Das Aufgreifen der Flaschen ist bei den hohen Geschwindigkeiten nicht immer ganz einfach und so musste ich die Geschwindigkeit in den Verpflegungen doch deutlich drosseln. Außerdem besteht hier immer die Gefahr eines Sturzes. Andere Athleten, die Schlangenlinien fahren, Flaschen, die auf dem Boden herum kullern. Aber alles ging glatt.
Da ich keine Zeitstrafe riskieren wollte, bin ich sehr passiv gefahren. Ich musste mich, wenn ich überholt wurde, öfters als mir lieb war zurück fallen lassen, um den Abstand von 10m wieder herzustellen. Dadurch konnte ich leider nicht so konstant meine Wattwerte treten wie geplant. Andere Athleten haben das offenbar etwas anders gehandhabt. Die Penalty Tents waren so voll wie ich es noch nie irgendwo gesehen habe. Davon sollten sich die Veranstalter in Frankfurt und Klagenfurt eine Scheibe abschneiden.
Die Zeit bis zum Anstieg nach Hawi verging wie im Flug. Die Spitze des Feldes kam mir nun bereits entgegen. Ich hab leider nur Sebi und Frodo erkannt, alles ging so schnell. Graue Wolken tauchten nun auf. Mit jedem Meter Richtung Hawi wurde das Wetter schlechter und schließlich begann es zu regnen und der Gegenwind nahm immer mehr zu. In Hawi goß es wie aus Kübeln. Mit dem Wind kam der Regen genau von vorne. Die 90km Marke erreichte ich nach 2:35 Stunden, was trotz des Wetters nochmals bei mir eine gewisse Euphorie auslöste.
Der Rückweg mit der nassen Straße und den Windböen von der Seite erforderten nochmals erhöhte Vorsicht. Aber mit jedem Meter weg von Hawi wurde der Regen weniger und das Wetter besser. Zurück auf dem Queen K mußte ich wieder kühlen. Im Gegensatz zu früheren Rennen, als ich oft einen Teil meiner Gels zurück gebracht habe, musste ich diesmal feststellen, dass ich mir die Rationierung falsch eingeteilt hatte. Mein letztes Gel hab ich ca. 30km vor Kona verspeist.
Leider liessen jetzt bei mir langsam die Kräfte nach. Die Wattzahlen wurden weniger, der Rücken schmerzte wie die Hölle und dann kam noch ein fieser Gegenwind dazu, der mich die letzten Körner kostete. Die Anzeige meines Garmin zeigte die gnadenlose Realität, oft lagen die 5km-Splits bei über 10 Minuten 🙁 Auf den letzten Metern Richtung Kona kam mir Frodo als Führender laufend entgegen. Ich hab mich so gefreut und ihn kurz angefeuert. War ich froh endlich die Wechselzone 2 erreicht zu haben. Nach 5:27 übergab ich mein Rad als 41er der AK und 783er der Gesamtwertung einem Helfer und musste wegen des Rückens erst ganz langsam in Richtung Wechselbeutel gehen und mich sortieren.
Im Wechselzelt war der Teufel los. Ich kühlte mich nochmals mit Wasser und Eis – im Gegensatz zu FFM gab es das hier 🙂 – bevor ich mich auf den letzten 42km langen Abschnitt machte.
Obwohl ich nach der Radfahrt schon ziemlich im Ar*** war, die Moral und Stimmung hätten kaum besser sein können. Ich hatte immer noch Spass. Allerdings wurde der Spassfaktor bereits auf dem Weg zum ersten Wendepunkt am Ali’i Drive heftig auf die Probe gestellt. Die Beine wollten einfach nicht schnell laufen, ich fühlte mich schlapp und die schwüle Hitze machte mir doch mehr zu schaffen als ich erwartet hatte. Auch ein kleiner Zwischenstopp auf dem Dixie brachte nicht die erhoffte Erleichterung. Schnell wurde mir klar, dass heute keine gute Laufzeit drin sein würde. An jeder Verpflegung bin ich stehen geblieben und hab mich ausgiebig gekühlt, die Arme in die Wasserfässer mit Eis getaucht und Eis in den Anzug gepackt. Das hat irgendwie alle zu lange Zeit gebraucht. Die Splits lagen dadurch immer bei 6-7 Minuten pro Kilometer.
Während des Laufens war eben auch nur ein 5er Schnitt auf der Garmin zu sehen. Dann kam mir Jörg entgegen, irgendwie auch viel zu früh. Ich hatte noch 4km bis zum Wendepunkt, d.h. er lag 8km vor mir. Endlich war der erste Wendepunkt erreicht und dann hab ich mal den Versuch unternommen eine Verpflegung testweise durch zu laufen, nur kühlen mit dem was ich greifen kann. Mann hab ich das bereut. Immerhin bin ich bis zur nächsten Verpflegung gelaufen um hier wieder den mittlerweile bewährten Kühl-Duschrhythmus aufzunehmen. Das Laufen in den mit Wasser gefüllten Schuhen ist auch nicht das wahre Vergnügen. Aber wie ein Mantra hab ich versucht mir immer wieder vorzusagen, „neun Jahre hast du für dieses Ziel trainiert, du hast das Privileg hier starten zu dürfen jetzt geniess den Schmerz gefälligst“. An der Kuakini hab ich dann Birgit getroffen. Hier hab ich das erste mal außerhalb der Verpflegung eine kleine Gehpause eingelegt um mit ihr zu parlieren. Dann ging es auch schon weiter und ich musste an der Palani ein 2tes mal gehen.
Dann ging es raus auf den Queen K in die Eintönigkeit aus Lava, Hitze und Schmerz. Wenigstens hatten sich mittlerweile ein paar Wolken vor die Sonne geschoben und die Schwüle war hier deutlich weniger. Ich blieb meinem Rhythmus treu. Laufen und an den Verpflegungsstellen stehen, kühlen und trinken. Auch hier kam mir wieder Jörg auf seinem Rückweg entgegen, der Vorsprung war weiter gewachsen vielleicht noch 5km bis zum Wendepunkt? Endlich tauchte das Schild zum Energy Lab auf. Auf dem Weg hinunter hat mich Neil, ein Athlet meiner AK, den ich in Südafrika kennen gelernt habe und dort hinter mir lassen konnte, überholt. Wir liefen ein Stück zusammen und haben uns etwas unterhalten, was eine wirklich willkomene Abwechslung für mich war. Aber das Tempo war mir an diesem Tag zu hoch, ich musste mir die letzten verbliebenen Kräfte gut einteilen. Ich hab also wieder etwas das Tempo reduziert. Dann kam endlich der Wendepunkt im Energy Lab. War ich froh. Jetzt kam wieder echte Freude auf. Jetzt war klar, ich würde auch die letzten noch fehlenden 13km irgendwie hinter mich bringen können und zum 2ten Mal in meinem Leben die Finish Line sehen dürfen. Die Zeit hatte ich komplett abgehakt und auch keine Ahnung wo ich lag. Beim kühlen hab ich versehentlich die Lap-Taste von der FR920 erwischt, so dass die Triathlon-Aktivität vorzeitig beendet war. Ich hab dann zwar eine neue Laufaktivität gestartet, aber ich wusste absolut nicht welche Rennzeit in diesem Moment war und es war mir auch egal. Das Minimalziel war ja das Finish, und schön wäre ein Daiylight Finish, aber das hatte ich bereits abgeschrieben, wegen der schlechten Kilometer Splits. Irgendwie hab ich mich dann zurück gekämpft in Richtung Kona. Massenweise Athleten kamen mir noch entgegen. Leider konnte ich nun nicht mal mehr den bewährten Rhythmus halten, sondern musste auch ein paar mal ausserhalb der Verpflegungsstellen gehen. Dazu kam auch noch ein übles Seitenstechen. Endlich kam der letzte Anstieg vor der Palani, wo die Hannes-Truppe stand und unermütlich jeden anfeuerte. Ein flüchtiger Blick in Richtung Sonne und … Überraschung. Sollte es doch noch was werden mit dem Daylight Finish? Also hab ich mich die Palani runter gestürzt, dann die Kuakini weiter gehechelt um endlich das letzte Mal an diesem Tag auf den Ali’i Drive einzubiegen. Der Puls war mittlerweile sicher der höchste des ganzen Tages. Ich rannte als ob es um den Sieg geht.
Schmerz, Freude, Euphorie. Dann der berühmete Baum vor dem Ziel. Endorphin Überdosis, Glück pur, die Finshline, der Zielbogen und da stand auch Birgit und wartete. Ich hielt an für einen Kuss. Sie trieb mich an „weiter los“, ich wusste gar nicht warum (sie wollte mir klar machen, dass es noch unter 11 Stunden reichen kann), aber dann ging ich die letzten 5 Meter mit hoch gestreckte Armen über die Ziellinie und hörte Mike Riley sagen „Kai Fügel you are an IRONMAN“. Gänsehaut!
Endzeit noch 10:59 :-))))),
Platz 55 von ca. 200 in meiner AK, 942 overall!
Hawaii ist etwas besonderes, ein magisches, episches Rennen und ich durfte zum 2ten Mal Teil dieses Ereignisses sein. Es war hart! Zum 2ten Mal hab ich hier einen grauenhaften Marathon erwischt dieses Mal erstmals in meiner Laufbahn sogar über 4 Stunden. Aber die Zeit und die Platzierung sind für mich wirklich nebensächlich. Allein die Erinnerung an dieses Erlebnis ist unbezahlbar.
Mahalo, an alle die die Daumen gedrückt haben. Aloha Kai